Venezolanische Anden 2001 Tonnenweise Kletter-
und Wanderlinx bei http://www.lampatzer.de Sa 06.01. Höllenfahrt zum Himmel Gegen 8 falle ich total verschlafen aus dem Bus. Am (für die Stadt) winzigen Terminal stolpere ich auch gleich über drei Deutsche, die mir sagen, Merida sei mit Touris voll, ich möge mir einen Jeep nach Los Nevados nehmen und dort bleiben. Der Jeep fährt in 10 Minuten an der Seilbahnstation ab. Kurzentschlossen sitze ich in einem 60-er Jahre- US- Straßenkreuzer, der mich in halsbrecherischer Fahrt nach in wenigen Minuten zur 6 km entfernten Teleferico bringt. Dort habe ich dann erst mal viel Zeit. Ich schließe mich 3 Engländern an, die noch genau ein Platz im Jeep haben. Nach etwa 10 Minuten übersteigt der "f#ing"- Zähler (wohlgemerkt von einem der drei) die magische Zahl 100. Mit der Frage: "Is there anything in your life that's NOT f#ing?" löste ich von den beiden anderen Engländern erst mal Lachrämpfe aus und bekam auch gleich zu essen - kalte Pizza vom Vorabend - aber nach 20 Stunden ohne Essen frisst man von Sch#e abgesehen vermutlich alles. Das Wort "f#ing" fiel die folgenden 1 1/2 Tage übrigens nie wieder. Die Fahrt geht auf einer mehr als abenteuerlichen Straße oft nur wenige Zentimeter am Abgrund vorbei - Bei einem Ausweichmanöver hieß es plötzlich "Alles auf die linke Seite" - da zog ich es vor, für die Dauer der Befahrung der nicht befestigten Außenseite der hangparallelen Straße mit ihrem ständig bröckelnden Rand auszusteigen. Die drei Engländer hingegen waren genau so fatalistisch wie man es ihnen nachsagt. Wir machen uns in der wunderschönen Posada von Miguel Castillo breit. Los Nevados ist ein schon fast verboten idyllisches Dorf in 2700 Meter Höhe. Einige Hundert verstreute Bauernhöfe werden auch noch dazu gezählt. Hier werden Schweine geweidet und auf bis zu 50 Grad steilen Feldern Getreide angebaut. Jeder Quadratzentimeter des sehr fruchtbaren Landes zwischen den Felsen wird für ein paar Halme genutzt. Auch die großflächigen Felder müssen mühsam abgesichelt werden - bei der Steilheit lassen sich nicht mal Sensen verwenden. Vor lauter Staunen über die vielen tollen Aussichten, die Bauernhäuser in erstaunlich guten Zustand, die eigenartig über die Pässe ziehenden Wolken kam ich gegen Abend oberhalb des Dorfs in dichten Nebel. Ein Querfeldein- Abstieg komt dort wegen häufiger Abbrüche nicht in Frage, und so brauche ich bis 20 Uhr nach unten, bis ich mich durch ein Labyrinth von Fußpfaden nach unten geschlängelt habe. Dazu kam, dass die Wege an von riesigen Hunden bewachten Höfen vorbei gehen und ich als Unbewaffneter (nicht mal die Wanderstöcke hatte ich mit) lieber den einen oder anderen Umweg in Kauf nehme. Die Engländer haben mir auch noch vom leckeren Abendessen was übrig ggelassen und alle waren froh, dass ich HEIL wieder unten angekommen bin. So 07.01. Ein weiter Weg Nach einer wunderbar sternklaren Nacht und einem leckeren Arepa zum Frühstück geht es heute Loma Redonde, der zweitobersten Station der Seilbahn. Weil ich in Los Nevados keinen Bäckerladen fand und noch einige Tage in den Bergen bleiben will, lasse ich mir von den Wirtsleuten als Wegzehrung noch 5 Arepas machen. Das dauert natürlich alles etwas und so verlassen wir um 9 Uhr das Dorf. Außer uns vieren gehen noch drei Mulis mit, die zwei der drei die Engländer und den größten Teil meines Gepäcks tragen. Dazu, es zu sortieren und die Hälfte unten in Merida zu lassen bin ich bekanntlich nicht gekommen. Deshalb muss ich die 15 km lange Strecke bis auf 4200 Meter und dann zurück auf 4050 (unterhalb der Station) für meine Verhältnisse rennen. Der Tafelberg lag nun auch schon zu lange zurück, so das sich lieber noch einen Tag in Los Nevados geblieben wäre. Von den Wirtsleuten ist noch ein etwa 10 jähriger Knabe mit gegangen. Dieser muss die Mulis zurückbringen, denn der Treiber fährt mit der Seilbahn runter nach Merida. Die Strecke nach Loma Redonde ist er allerdings durchgehend gelaufen - in gerade mal gut vier Stunden. Für so einen kleinen Kerl eine Superleistung. Jetzt wird noch das Gepäck ausgemistet; alles was evtl. wärmen könnte, wird allerdings im Rucksack gelassen. Etwa 10 Kilo bleiben auf der Seilbahnstation. Ein Scherzkeks, dem ich meine Kamera gab, nimmt mich erst mal von hinten (auf, was sonst ,-)), daraufhin beginne ich, die im Reiseführer angegebene Unterkunft zu suchen. Sie ist einfach nicht mehr da. Eine Betonplatte am See 100 Meter unter der Bergstation halte ich aus der Entfernung für das Dach einer Unterkunft, die zwei anderen Häuschen sind Pumpstationen. So entschließe ich mich zu einer Nacht im 7000- Sterne- Hotel. Für diese bin ich natürlich nicht ausgerüstet. Eine Fleecehose zum Unterziehen, eine Fleecejake und eine Daunenweste und eine Fleecedeckenschlafsack für Unterkünfte mit zu wenigen oder schmutzigen Decken. Das Problem ist weniger die Kälte als der Wind. Die Rettungsdecke geht trotz sehr moderater Windstärke nach nur einer Stunde in Fetzen, gegen 22 Uhr verzieht sich der Nebel und ab dann ist es nur noch lausig kalt. So bald mir wieder etwas warm wird, kommt ein Windstoß und bläst mir zwischen Daunenweste und Fleeceschlafsack. Mo 08.01. Sch...- Bürokraten Nach einer alles andere als
erholsamen Nacht schleppe ich mich die ca. 800 Meter zum
Pico Espejo, der höchste Ort in meinem Leben (4765 m).
Der Weg ist absolut unschwierig, jedoch macht mir die
Höhe mittlerweise ganz schön zu schaffen. Die
Wegfindung ist auch nicht eindeutig, das Gelände ist
teilweise so flach, dass man nicht weiß, zwischen
welchen Steinhaufen es weiter geht. Die Aussicht ist
jedoch großartig. Zu allem Überfluss eröffnet mir ein Ranger, dass meine Permission abgelaufen ist und ich zwecks ihrer Verlängerung mich ins Tal begeben müsste. Widerwillig fahre ich mit der Seilbahn runter. Unten finde ich sofort eine deutschsprachige (!) Posada direkt an der Seilbahn- Talstation - besser kann es gar nicht laufen. Di 09.01. Merida Ich schlafe fast 12 Stunden und wache wie gerädert auf. Sachen in die Wäscherei schaffen, einkaufen, organisierte Touren und Fahrpläne in Erfahrung bringen, (umständlich) "Landkarten" und Bustickets besorgen, etwas Sightseeing und der Tag ist fast gelaufen. In Merida stehen für die, die es gar nicht lassen können, an allen Ecken etwa 12 Meter hohe (künstliche) Kletterwände herum. z.B. Av. 8/Ca. 24. Die an der Seilbahn- Talstation ist nachts beleuchtet. Dort kann man für 1000 Bs (ca. 3,30 DM) ein Mal gesichert hochsteigen. Der Sicherungsmann lässt einen, sofern man nicht zu schwer ist, ein gutes Stück herunterfallen, bis er einen kurz vor dem Boden mehr oder weniger sanft abbremst. Die Wand ist mit riesigen Griffen und Tritten ausgestattet, dass auch jeder hochkommt. Ich mache das auch mal mit und komme mit dem Sicherungsmann ins Gespräch. Er stellt sich als "Lenin Marx" vor und zeigt zum "Beweis" einen mit Sicherheit getürkten Studentenausweis vor. Aber möglicherweise stimmt der Vorname; immerhin lässt sich auf einer der unten aufgeführten Kletterseiten ein gewisser Lenin Zerpa finden. Er ist Angehöriger der Nationalmannschaft und verdient sich mit dem Touristenvergnügen seinen Lebensunterhalt. Sponsoren gibt es kaum, der Sport ist Trainingszeit aufwändig und das Material ist 2-3 Mal so teuer wie in .de - und das wo die Leute nur ein Drittel von dem verdienen wie in .de. Wir vereinbaren für Freitag ein Treffen. Die Schlussabsprache soll erst morgen sein. Er muss noch Material besorgen und will außerdem noch etwas Bedenkzeit. Mi 10.01. Vielleicht die schönste Wanderung der Gegend Mit dem Kleinbus (Por Puesto) geht es umständlich zum Laguna Mucobaji (~3500 m) Porpuesto nach Tabay, Porpuesto nac Los Apartaderos, Taxi (gleiches Fahrzeug) ans Ziel. Dort kann man den Pico Mucu~nuque (4672 m) erwandern. Man sollte ein Paar Grödel mitnehmen, der Schnee in den bis etwa 16 Uhr beschatteten Rinnen ist bockelhart. Die Teile deponiere ich dann auf einem Stein- Am Rückweg sind sie weg. Das können nur die sechs Eingeborenen gewesen sein, die in Stoffturnschuhen (!) oben waren und den Abstieg fürchteten. Aufgrund der Nachmittagssonne lassen sich die Schneerinnen jetzt auch ohne Grödel gehen. Aber der Genuss ging mir verloren - schließlich brauche ich die Teile u.U. noch später und ich laufe wie ein Kaputter den Berg hinunter. Der Weg ist aus einer Sicht bemerkenswert: Er verläuft über 7-8 Ebenen, zwischen denen jeweils eine steile Stufe ist. Jede dieser Ebenen hat iher eigene Vegetation. Hier wurden trotz der Eile eine ganze Menge Fotos gemacht. Unten kriege ich die sechs Diebe noch. Sie bedanken sich artig, dass ich ihnen die "Steigeisen" überlassen habe und reiten von dannen. Ich genieße die letzte Abendsonne und weiß nicht, dass 2000 Meter tiefer in Merida ein Unwetter herrscht, das die Stadt schier unter Wasser setzt. Damit verpasste ich die Absprache mit Lenin, zumal ich erst um 20 Uhr 30 wieder in der Posada war. Lenin glaubte wohl ich hätte das Interesse verloren. Wegen Sprachproblemen gab er auch keine Telefonnummer an. Und wegen Regens hat er die Kletterwand bereits am Nachmittag wieder verlassen. Do 11.01. Durchs Gemüse Der Plan für heute sieht vor, nach Mucuruba (2900 m) zu fahren und über der Pan de Azucar (ca. 4200 m) in der Cordillera del Norte (von Merida aus gesehen) zu einem Dorf auf etwa 3300 Meter zu gehen. Doch das scheitert kläglich. Zuerst finde ich den Weg nicht. Er beginnt erst auf einem Hügel ca. 600 Meter über Mucuruba. Markierungen sind natürlich Fehlanzeige und so schlage ich mich erst mal eine Stunde durch die Büsche. Der Weg, sofern er nicht überwuchert ist, führt durch einen unheimlich steilen Wald bis zu einigen Seitentälern des Flusses, den er begleitet. Der Fluss selber verläuft in einem engen Tal, in dem nicht einmal ein solcher Weg Platz hat. Nachdem ich - soweit man das auf _so_ einer Karte überhaupt beurteilen kann - etwa ein Viertel des Weges geschafft, aber bereits die Hälfte des Tages verbraucht hatte und ich mittlerweile blutige Beine von dem den Weg überwuchernden Gestrüpp hatte, gab ich auf. Das nächste Mal nehme ich mir zwei Tage Zeit und eine Machete mit. Der Weg selbst ist landschaftlich reizvoll, aber nicht spektakulär parallel zu einem Hang, viele Hundert Meter tiefer rauscht der Fluss, dass man es bis hoch hört. Bilder gibt es daher keine, mit Ausnahme der Aussicht vom Hügel oberhalb des Dorfes. Fr 12.01. Verpasste Gelegenheiten. Heute wollte ich eigentlich mit L. klettern gehen. Aber die endgültige Verabredung ist bekanntlich geplatzt. Den Vormittag habe ich halb mit Sightseeing verbummelt, den Nachmittag mit zwei Kanadiern geklettert. Abends traf ich dann L. wieder an der Kletterwand und konnte wenigstens diese Bilder schießen. Leider sieht man auf diesen nicht die Eleganz seiner Bewegungen. Es hätte neben dem allgemeinen Klettervergnügen noch vier weitere Vorteile gehabt. 1. hätte er mir viel beibringen
können. Das Bild ganz rechts sieht ihm vielleicht noch am ähnlichsten. Abends sitze ich dann im Bus, Klasse "Buscama" nach Caracas. Tipps und Links stehen
unten, |
Hinweise: Klima: Merida liegt 1700 Meter hoch in einem von NE nach SW verlaufenden Tal. Tagsüber ist es in 4500 Meter Höhe warm genug, um Wandern und Sonnenbaden zu parallelisieren und nachts im Tal kühl genug, um erholsam zu schlafen. Durch die westliche Lage wird es außerdem eine Stunde später hell und dunkel als bei den Tafelbergen. Das stört morgens kaum, aber verlängert die Tage um eine Stunde. Nachmittags regnet es häufig im ab 16 Uhr im Bergschatten liegenden Tal, während auf den Bergen das schönste Wetter herrscht. Abends braucht man auch in der Stadt leichte Winterkleidung, Nachtfrost gibt es gelegentlich, Temperaturen unter 10 Grad täglich. In den Bergen gilt wie bei uns auch ein Temperaturabfall von ca. 2 Grad je 300 Metern. Unterkunft beim Wandern: Der Reiseführer gestattet, vorsichtig ausgdrückt, einen erheblichen Interpretationsspielraum. Hier sollte statt "Man übernachtet bei den Seilbahnstationen" besser "Man zeltet bei den Seilbahnstationen" stehen. Die in den alten Wanderkarten vorhandenen Hütten bei den Stationen "Loma Redonde" und "Pico Espejo" gibt es nicht mehr. Allerdings gibt es bei den Stationen "Aguada" und "Montana" kleine Dörfer, in denen sehr wahrscheinlich eine Posada sein wird. Los Nevados: Mittlerweile ist Strom, Gas und eine Lkw- taugliche Straße auch bis hierher vorgedrungen. Man lebt nicht mehr wie im Reiseführer beschrieben mit den Tageszeiten. Auch kann man mittlerweile warm duschen, d.h. man muss nicht mittags zurück sein. Verkehr: Der Kleinbus fährt alle 20 Minuten bis auf einen Pass in 4200 Meer Höhe, die letzen 4 km allerdings nur als Taxi zu Taxi- Preisen. Im Gegensatz zur Auskunft am Teminal fährt der Bus nachSan Christobal und das Por Puesto nach Los Appartaderos nicht durch die Stadt, es hält auch nicht zwischen Terminal und Tabay. Am besten fährt man mit dem Por Puesto nach Tabay und von dort weiter, das geht i.d.R. schneller als die Fahrt über das Terminal. Seilbahn: Diese
fährt in vier Sektionen von Merida (ca 1650 m) bis zum
Pico Espejo (ca 4650 m). Die letzte Sektion ist nur
geringfügig billiger als die drei Sektionen davor
zusammen. Höhenungwohnten Leuten kann nicht empfohlen
werden, beim ersten Mal bis nach oben zu fahren, für Kleinkinder
besteht bei einem Höhengewinn von 3000 Meter pro
Stunde u.U. Lebensgefahr, fast alle, die mit ihren Babys
nach oben kommen, werden sofort wieder nach unten
geschickt. Die Nothilfestation für Höhenkranke besteht
allem Anschein nach nicht mehr. "Permission":
Jeder Wanderer im Nationalpark wird für 1,50 DM/Tag
registriert. Dazu muss man bei einem der an strategisch
günstig gelegenen Stellen liegenden Inparques- Häuschen
vorstellig werden. Wer zelten oder klettern will, muss
seine Ausrüstung vorzeigen. Anderenfalls bekommt er nur
eine Wanderpermission und muss eine Unterkunft nehmen. Es
laufen Ranger frei herum, die das kontrollieren. Wandern und Bergsteigen:
Das Tolle an Merida ist, dass man direkt ab Stadtmitte
losläuft und in einer Stunde mitten in der Wildnis ist. Organisierte Touren:
Die Seilbahnroute wird als Zweitages- Tour (meist ab Loma
Redonde) angeboten, die Südroute als Vier- oder
Fünftages- Tour. Gruppengröße ist 3-6 Leute, Material
und Verpflegung wird komplett gestellt. Träger gibt es
nicht. Preisvergleiche lohnen sich, jedoch auch die
günstigen Angebote sind unverschämt. Ausrüstung / Material:
Wer in zu Hause was vergessen hat, hat leider verloren.
Material zum Klettern & Bergsteigen ist doppelt bis
drei Mal so teuer wie in Deutschland. Dies gilt auch für
Bergschuhe. Die Preise haben zur Folge, dass auch bei
Führungstouren Seile verwendet werden, aus denen man bei
uns vermutlich nicht mal eine Kindersschaukel bauen
würde. Nachdem ich so ein Paar uralte Stricke gesehen
habe, werde ich auch bei Führungstouren mein eigenes
Seil verwenden. Das wichtigste Teil zum Wandern fehlt jedoch, und man kann es auch nicht in Deutschland beschaffen: Landkarten sind militärische Geheimsache und damit nicht verfügbar. Die in Merida für ein paar Pfennige erhältlichen Touristenkarten sind das Papier nicht wert. Bei der Nationalparkzentrale (INPARQUES) nahe des Busterminals kann man von den beiden wichtigsten Ausschnitten des Nationalparks von Merida unmaßstäbliche, allerdings sehr detailierte Karten (Ausschnitt ca. 20 x 20 km) kaufen - wenn welche vorrätig sind. |
Links / E-Mails www.andes.net/yagrumo:Meine Posada |